Bestandsdatenblatt

Hering: Frühjahrslaicher westliche Ostsee

Gültig 05/2024 - 05/2025

Hering: Frühjahrslaicher westliche Ostsee

gültig 05/2024 - 05/2025

Zugehörige Fischart

Hering

Allgemeine Informationen

Ökoregion:Nordsee, Ostsee
Fanggebiet:westliche Ostsee (22-24 (mit Beltsee und Öresund)), Skagerrak/Kattegat (20-21 (3.a)), östliche Nordsee (4.aE)  FAO 27 (Nordostatlantik)
Art:Clupea harengus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung vollständiger Fangdaten und mehrerer unabhängiger wissenschaftlicher Forschungsreisen, die alle Lebensstadien abdecken. Referenzpunkte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy, MSY Btrigger) und nach Vorsorgeansatz (Bpa, Blim, Fpa, Flim) sind definiert. Die Vorhersage ist unter anderem durch den erlaubten Transfer von Fangquoten von Gebiet 20-21 (auch als 3.a bezeichnet) in die Nordsee unsicher. Kaum vorhersagbar sind außerdem die jeweiligen Anteile von Nord- und Ostseehering in den Fängen in den Gebieten 20-21 und in der östlichen Nordsee, da das Wanderverhalten beider Bestände variiert. Auch die Vermischung von Hering aus der westlichen und der zentralen Ostsee trägt zu Unsicherheiten in der Bestandsberechnung bei. [1455] [1462]

Wesentliche Punkte

2024: Der Bestand des Herings der westlichen Ostsee liegt weiterhin unter dem Limit-Referenzwert für die Laicherbiomasse (Blim), also tief im roten Bereich. Er zeigt im dritten Jahr in Folge eine Bestandszunahme, allerdings ist der Zuwachs des vergangenen Jahres durch eine rückwirkend geänderte Bestandswahrnehmung verloren gegangen – der mögliche Erholungszeitraum beträgt damit weiter 5-7 Jahre. Die fischereiliche Sterblichkeit lag 2023 nur noch knapp über 0,05, was als geeigneter Startpunkt für einen Erholungsplan angesehen wird. In der westlichen Ostsee ist die gerichtete Fischerei 2024 wie im Vorjahr nur noch für Fahrzeuge unter 12m erlaubt. 71 % des Gesamtfanges aus diesem Bestand stammte 2023 aus der östlichen Nordsee (gefangen unter dem Nordseeherings-TAC).
Da keines der möglichen Fang-Szenarien bis 2026 zu einem Anwachsen des Bestandes über Blim führt, empfiehlt der ICES auf Basis des MSY-Konzeptes im siebten Jahr in Folge die Schließung der Fischerei. [1455] [1462]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  unzureichende Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach EU-Managementplan)

  außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

Fischereiliche Sterblichkeit

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)
 

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach EU-Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

Der EU-Mehrjahresplan für die Ostsee ist nicht mit Norwegen abgestimmt, er gilt nur in den Gebieten 22-24 und ist daher nicht Basis für die Fangempfehlung des ICES. [977] [1455] [1462]

Bestands­entwicklung

Die Zeitserie für den Hering der westlichen Ostsee ist erst 33 Jahre lang, weil Methoden zur Trennung der beiden im Kattegat und Skagerrak gemischten Bestände (Nord- und Ostseehering) erst ab Anfang der 1990er Jahre zur Verfügung stehen. In diesem Zeitraum hat die Laicherbiomasse zunächst stark abgenommen, konnte aber ab etwa 1996 vorübergehend stabilisiert werden. Nach 2006 ist die Laicherbiomasse wegen der ab 2004 nachlassenden Nachwuchsproduktion und zu zögerlich reduzierten Fangmengen weit unter den aktuellen Limit-Referenzwert (Blim) gesunken. Nach 2011 war ein leichter Anstieg zu verzeichnen, der Bestand blieb aber aus heutiger Sicht unter Blim. 2016 nahm er erneut ab, 2020 wurde der niedrigste Wert der Zeitserie erreicht. Seit 2021 wächst der Bestand langsam an. Auf die Abnahme der Laicherbiomasse durch die nachlassende Nachwuchsproduktion ab 2004 hat das Management nur langsam reagiert. Der Bestand befindet sich auch weiterhin in einer Periode mit schwacher Nachwuchsproduktion. Unter den jüngsten Jahrgängen sind die schwächsten der Zeitserie, was nach aktuellen Erkenntnissen vor allem auf mildere und spätere Winter zurückzuführen ist (siehe auch „Umwelteinflüsse auf den Bestand“). Die fischereiliche Sterblichkeit lag mit 0,4 bis über 0,6 für einen Schwarmfischbestand lange Zeit sehr hoch. 2011 bis 2015 konnten Werte zwischen Fpa und Fmsy (MSY = höchstmöglicher nachhaltiger Dauerertrag, pa = Vorsorgeansatz) erreicht werden. Nach einem erneuten Anstieg über den Limitwert (Flim) liegt die Sterblichkeit seit 2020 unter Fmsy und seit 2023 in einem Bereich, der die Erholung des Bestandes ermöglicht. Der grau schattierte Bereich in der Grafik zeigt die Spanne der Referenzwerte des Managementplanes (obere und untere Grenze). Die Zielwerte oberhalb von Fmsy sind beim derzeitigen Bestandszustand jedoch nicht anwendbar. Die Fangmengen wurden vor allem in der westlichen Ostsee reduziert (Höchstfangmengen (TACs) zwischen 2017 und 2021 um 94%). Die Fischerei ist beinahe geschlossen, 2022 wurden die Quoten erneut halbiert, und nun darf Hering nur noch von Fahrzeugen kleiner 12m gezielt gefangen werden. Die TACs im Skagerrak/Kattegat wurden im gleichen Zeitraum dagegen nur um 57% reduziert, erst 2022 erfolgte eine stärkere Reduzierung (um über 90%). [1455] [1462]

Ausblick

Der Bestand des Herings der westlichen Ostsee liegt unter dem Limit-Referenzpunkt für die Laicherbiomasse (Blim). Außerdem befindet er sich weiterhin in einer Periode mit schwacher Nachwuchsproduktion, 2022 war der schwächste Jahrgang der Zeitserie. Die Empfehlung lautet unverändert auf Schließung der Fischerei 2025, weil es keine Fangmenge gibt, die eine Erholung des Bestandes bis 2026 bewirken könnte. Durch die seit 2022 gelungene Reduzierung der Fänge im Skagerrak/Kattegat (Gebiet 20-21, bzw. 3.a) sind die Aussichten nun aber besser: Der Bestand könnte sich in den nächsten 5-7 Jahren erholen, sofern die Nachwuchsproduktion nicht noch weiter abnimmt. Eine nachhaltige Nutzung ist – nach einer Erholung – auch bei anhaltend schwacher Nachwuchsproduktion möglich, wenn auch die Fangmengen von Anfang der 1990er Jahre nicht mehr annähernd erreicht werden dürften. [1455] [1459] [1460] [1462]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Seit 2004 produziert der Hering der westlichen Ostsee immer schwächer werdende Nachwuchsjahrgänge, 2022 trat der Schwächste der Zeitserie auf. Das ist nach aktuellen Erkenntnissen vor allem auf warme und späte Winter zurückzuführen. Es kommt offenbar zu Veränderungen in der Phänologie, also den jahreszeitlichen Entwicklungsphasen. Die Heringe wandern früher in die Laichgebiete und die Larven schlüpfen früher als bisher. Die Entwicklung von Kleinkrebsen, dem Futter der Larven, hängt jedoch von der Entwicklung kleiner Algen ab. Deren Auftreten wiederum ist lichtgesteuert, verschiebt sich also weniger – sind die Heringslarven zu früh dran, verpassen sie wahrscheinlich das Nahrungsoptimum. Hinzu kommt, dass die Eier in einer Zeit starken Algen- und Pilzwachstums abgelegt werden. Dies wird durch Überdüngung und hohe Wassertemperaturen gefördert. Neueste Studien zeigen außerdem, dass Heringslarven bei erhöhten Wassertemperaturen physiologischen Stress erfahren. Temperaturen über 16°C führen zu Herzrhythmusstörungen, geringere Wachstumsraten sind u.a. die Folge. Eine erhöhte Sterblichkeit von Eiern kann auch durch Stürme hervorgerufen werden, außerdem werden erheblich größere Mengen an Eiern von Räubern (z.B. Dreistachligen Stichlingen) gefressen, als bisher angenommen – es ist jedoch unklar, ob sich letztere Faktoren in den letzten Jahren verändert habe (für mehr Info: "Thünen erklärt: Der Hering in der Klimafalle"). [982] [983] [1130] [1196] [1197] [1273] [1455] [1462]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung des westlichen Herings erfolgt durch die Europäische Union und (im Norden) gemeinsam mit Norwegen (bezüglich der Fangmengen). Ein EU-Mehrjahresplan für Dorsch und alle pelagischen Bestände der Ostsee ist seit 2016 in Kraft, Norwegen hat den Plan jedoch nicht übernommen. Basis für die Fangempfehlung des ICES ist daher weiter das Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY). Die Bewirtschaftung erfolgt durch Höchstfangmengen (TACs), jeweils getrennt für die drei Managementgebiete westliche Ostsee (22-24), Skagerrak/Kattegat (20-21) und Nordsee (4). Die TACs (getrennt festgesetzt für den menschlichen Konsum und für die Industriefischerei) werden für alle vier im Verbreitungsgebiet den Bestand nutzenden Flotten festgelegt. Drei Flotten fischen für den menschlichen Konsum (Flotte F in 22-24, Flotte C in 20-21, Flotte A in 4), eine für industrielle Zwecke (für die Fischmehl- und Fischölproduktion, Flotte D in 20-21). Teile der nationalen Quoten für Hering in 20-21 können seit 2011 in der Nordsee gefischt werden. Für das Skagerrak/Kattegat (20-21) haben sich die EU und Norwegen im April 2014 auf ein Verfahren zur Festsetzung des TACs geeinigt. Das Verfahren wurde vom ICES als nachhaltig bewertet, sofern sich die beiden gemeinsam gefischten Bestände in diesem Gebiet (Frühjahrslaichender Hering der westlichen Ostsee und Nordseehering) ähnlich entwickeln und mehr als 10 % des TAC in der Nordsee gefischt wird. Ersteres ist nun schon länger nicht mehr der Fall, dennoch wird die Regel weiter angewendet. Die Einigung sieht vor, dass 50 % des Gesamtfanges aus dem Bestand im Gebiet 22-24 gefangen werden. Für 2022 haben sich Norwegen und die EU darauf geeinigt, die Regel zwar grundsätzlich anzuwenden, dann aber die tatsächlich in 20-21 erzielbaren Fänge drastisch einzuschränken. Faktisch dürfen die Heringsfischereien in diesem Gebiet nun 100 % ihrer Fangmöglichkeiten auch in der Nordsee fischen, die EU-Flotten sogar 50 % davon in Gewässern des Vereinigten Königreiches. Der Anteil der Fänge in 22-24 betrug 2023 10 %. 86 % sind dagegen in der östlichen Nordsee unter dem viel höheren Nordseeherings-TAC gefangen worden, sind also quasi (erwünschte) Beifänge in der Nordseeheringsfischerei. 2024 waren es 22 % in Gebiet 22-24 und 71 % aus der östlichen Nordsee.
Seit Januar 2015 gilt ein generelles Rückwurfverbot für Heringe in EU-Gewässern. Weitere Managementinstrumente sind in der EU-Verordnungen zu Maschenöffnungen, sowie nationale Regelungen (z.B. Gebietsschließungen). [750] [977] [979] [1065] [1148] [1455] [1459] [1460] [1462] [1466]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Die wissenschaftliche Empfehlung des ICES bezieht sich auf das gesamte Verbreitungsgebiet dieses Heringsbestandes. Die Bewirtschaftung erfolgt jedoch in drei Managementgebieten; in den beiden nördlichen kommt es zur Vermischung mit Nordseehering. Das Vorkommen von Nordseehering in den Fängen wird bei der Festlegung der Höchstfangmengen (TACs) für 20-21 hinzugerechnet, dies muss beim Vergleich zwischen Empfehlung und Summe der TACs berücksichtigt werden.
Viele Jahre entsprachen die festgesetzten Höchstfangmengen der wissenschaftlichen Empfehlung, 2006–2011 sind die Fangmengen jedoch erheblich höher festgesetzt worden als empfohlen, genau zu der Zeit, in der schnell auf die nachlassende Nachwuchsproduktion reagiert werden sollte. Erst 2012 bis 2014 stimmte die erlaubte Höchstfangmenge (TAC) für die ICES-Gebiete 22-24 wieder mit den wissenschaftlichen Empfehlungen überein. In Gebiet 20-21 wurde aber weiterhin ein zu hoher TAC festgesetzt, der aber bis zur Hälfte in der Nordsee genutzt werden durfte, so dass die tatsächlichen Fänge unter der empfohlenen Menge lagen. Für 2016 stimmten beide TACs mit der Empfehlung überein, 2017 und 2018 lag der TAC für 20-21 wieder etwas höher als empfohlen, weil der TAC 2017 für Hering in der Nordsee abweichend von der Empfehlung deutlich höher festgesetzt wurde und die Höhe des TACs in 4 einen Einfluss auf den in 20-21 hat. Die Verwendung der Regel für die Festsetzung des TACs in Kattegat und Skagerrak entspricht schon seit Jahren nicht mehr der wissenschaftlichen Empfehlung. Der TAC im südlichen Managementgebiet (22-24) wurde in den letzten Jahren, bis einschließlich 2018, dicht an der Empfehlung festgesetzt und fast oder ganz ausgefischt. Erst für 2022 wurden die Fangmengen in der gerichteten Fischerei in 20-21 und 22-24 ausreichend gesenkt, problematisch bleiben jedoch die (erwünschten) Beifänge von Ostseeheringen in der östlichen Nordsee (in norwegischen Gewässern), in der sie gemeinsam mit Nordseehering bewirtschaftet werden.
Der Fischereidruck konnte in den letzten drei Jahren erheblich gesenkt werden, seit 2023 ist er erstmals so niedrig, dass der Bestand mittelfristig eine Chance hat, sich zu erholen. [1455] [1459] [1460] [1462]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Hering der westlichen Ostsee ist in drei verschiedenen Managementgebieten verbreitet: der westlichen Ostsee (22-24), dem Skagerrak/Kattegat (20-21, auch als 3.a bezeichnet) und der Nordsee (4). Für alle drei Gebiete gelten separate Höchstfangmengen (TACs). In den beiden letzten Gebieten werden Frühjahrslaicher der westlichen Ostsee gemischt mit Nordsee-Herbstlaichern gefangen. Menge und Anteil variieren und können nicht genau vorhergesagt werden. [1455] [1459] [1460] [1462]

Anlandungen und legale Höchstfangmengen (TACs) (in 1.000 t)

Gesamtfang2023: 3,3 (nur Frühjahrslaicher, alle Managementgebiete); hauptsächlich aktive Geräte (pelagische Schleppnetze und Ringwaden), in geringerem Umfang passive Geräte (hauptsächlich Kiemennetze; seit 2022 in 22-24 nur noch passive Fanggeräte)
TACs (22-24/20-21 (3.a))2011: 15,9/30,0   2012: 20,9/45,0   2013: 25,8/55,0   2014: 19,8/46,8   2015: 22,2/43,6   2016: 26,3/51,1   2017: 28,4/50,7   2018: 17,3/48,4   2019: 9,0/29,3   2020: 3,2/24,5   2021: 1,6/21,6   2022: 0,8/25,0 (davon nur 1.136 t in Gebiet 20-21 (3.a) fischbar)   2023: 0,8/23,3 (davon nur 1.279 t in Gebiet 20-21 (3.a) fischbar)   2024 0,8/29,7 (davon nur 1.136 t in Gebiet 20-21 (3.a) fischbar)   [1065] [1455] [1459] [1460] [1462]

IUU-Fischerei

Seit 2011 ist die Quotennutzung zwischen den Gebieten 20-21 und 4.a so flexibilisiert, dass keine Anreize mehr für eine Fehlberichtung zwischen den Gebieten bestehen sollten, die zuvor offenbar auftrat. [1455] [1462]

Struktur und Fangmethode

Alle Anrainerstaaten unterhalten gerichtete Fischereien auf Hering der westlichen Ostsee, vor allem durch mittlere und kleine Schleppnetzkutter und kleinste Fahrzeuge mit Stellnetzen. In den Gebieten 22-24 verfügt Deutschland über die höchste Quote (die seit 2022 nur noch von Fahrzeugen unter 12m in einer gerichteten Fischerei mit passiven Fanggeräten genutzt werden darf), im Skagerrak (20) und Kattegat (21) fischen vor allem Dänemark und Schweden, aber auch Norwegen. Die Heringe werden überwiegend für den menschlichen Konsum gefangen (Flotte F in 22-24, Flotte C in 20-21, Flotte A in 4), aber im Norden auch als Beifang in der Industriefischerei angelandet (Flotte D in 20-21). [1455] [1459] [1460] [1462]

Beifänge und Rückwürfe

Seit dem 1. Januar 2015 ist der Rückwurf von Hering in der Ostsee generell verboten, durch Fraß beschädigter Fisch ist vom Anlandegebot aber ausgenommen. Rückwürfe scheinen tatsächlich in keiner der Herings-Fischereien auf diesen Bestand ein Problem zu sein, die Stellnetzfischereien sind hochselektiv. Es gibt keine Mindestanlandelänge und keine erkennbaren Anreize (Schleppnetzfischerei) oder Möglichkeiten (Stellnetzfischerei) zum „Highgrading“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren), auch wenn laichreife Fische einen höheren Anlandeerlös erzielen als nicht-Laichende. In Abhängigkeit von Jahreszeit und Fangplatz kann es in der Schleppnetzfischerei zu Beifängen von Sprotten kommen. Der Beifang von Hering in der Sprottfischerei wird erfasst und in der Bestandsberechnung berücksichtigt, allerdings wurde in der Industriefischerei in den Gebieten 20-21 das Verwerfen ganzer Hols („slipping“) berichtet, wenn der Hol zu hohe Anteile von Hering enthält. Die pelagische Fischerei auf Hering hat sehr geringe unerwünschte Beifänge anderer Arten. [750] [979] [1148] [1455] [1462] [1466]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Pelagische Schleppnetz- und Stellnetzfischereien beeinflussen der Meeresboden kaum (weil sie ihn in der Regel nicht berühren). Potentiell problematisch können Beifänge von Seevögeln und Meeressäugern in Stellnetzen sein. Die pelagische Fischerei auf Hering ist in Bezug auf Beifang von Fischen, Beeinflussung des Meeresbodens und Rückwürfe eine der Fischereien mit den geringsten Umweltauswirkungen überhaupt. Hering ist gemeinsam mit Sprotte eine wichtige Nahrungsquelle u.a. für Dorsch. Die Heringsfischerei kann daher indirekt den Dorschbestand beeinflussen, in der westlichen Ostsee allerdings in geringerem Umfang als in der östlichen (weil sich Westdorsch überwiegend von wirbellosen Bodenorganismen ernährt). [30] [97] [208] [1455] [1462]

Biologische Besonder­heiten

Anders als die meisten anderen Heringsbestände im Nordost-Atlantik laicht dieser auf Großalgen und Seegräsern (Makrophyten) im Küstenbereich. Mit Abstand wichtigstes Laichgebiet dieses Bestandes ist der Greifswalder Bodden (zwischen Rügen und dem vorpommerschen Festland). Diese Konzentration ermöglicht es, mit Hilfe eines Larvensurveys schon sehr früh Kenntnisse über die Stärke von Nachwuchsjahrgängen zu erlangen, die erst in 2-3 Jahren von der Fischerei erfasst werden. Außerdem ist der erwachsene Hering auf den Laichplätzen für die Fischerei gut zugänglich.
Nach dem Ablaichen im März bis Mai wandern erwachsene Heringe dieses Bestandes in das Kattegat und Skagerrak und bis in die östliche Nordsee auf die Nahrungsgründe. Hier vermischen sie sich mit dem herbstlaichenden Hering der Nordsee und werden mit diesem auch gemeinsam gefangen, was die Bestandsberechnung erheblich erschwert. [88] [1455] [1462]

Zusätzliche Informationen

Der Hering der westlichen Ostsee ist eher schlank und kleinwüchsig und eignet sich daher besonders für die Marinadenproduktion. Für die Herstellung von Rollmops und Kronsild gibt es kaum alternative Rohwaren-Quellen, daher sind die Anlandepreise bei deutlich sinkenden Fangmengen zwischen 2008 und 2017 stark gestiegen und haben die Verluste durch die Reduzierung der Fangmenge zu einem großen Teil ausgleichen können. Seit 2017 haben die weiter steigenden Erlöse die Fangverluste jedoch nicht mehr annähernd ausgleichen können. Der Verlust des MSC-Siegels erschwert die Vermarktung.

Die Rückkehr der Anfang des 20. Jahrhunderts ausgerotteten Kegelrobben an die deutsche Ostseeküste, eine Erfolgsgeschichte des Meeresnaturschutzes, verursacht insbesondere für die Heringsfischerei erhebliche Probleme: Auch wenn die Fangmenge der derzeit unter 700 Kegelrobben zur Heringslaichzeit keinen bedeutenden Einfluss auf die Populationsentwicklung hat, plündern die Tiere die Stellnetze der Fischer und beschädigen Fang und Fanggerät. In weiten Teilen der vorpommerschen Küste lässt sich die Heringsfischerei daher nicht mehr wirtschaftlich durchführen.

Die deutsche Stellnetzfischerei hat ihre Heringsquote 2023 nur zu 55 % ausgefischt. Dies liegt zum Teil daran, dass die derzeitigen Fangmöglichkeiten (435 Tonnen) für eine Direktvermarktung zu viel, für einen regelmäßigen Abtransport zu Verarbeitern im Ausland aber zu gering sind. Das Fischwerk in Mukran, ehemals größter Abnehmer von Westhering für die deutsche Fischerei, wurde 2023 weitgehend geschlossen. [4] [14] [1459] [1462] [1463] [1464] [1465]

Zertifizierte Fischereien

Teile der Schleppnetzfischerei auf Hering in der westlichen Ostsee waren MSC-zertifiziert. Die Zertifikate wurden jedoch aufgrund der Änderung der Bestandsbeurteilung am 21. September 2018 suspendiert. Inzwischen ist die Zertifizierung ausgelaufen. Siehe:
www.msc.org/de/presse/pressemitteilungen/deutsche-ostsee-heringsfischer-verlieren-msc-umweltsiegel

Soziale Aspekte

Die Heringsfischerei in der Ostsee wird mit Fahrzeugen verschiedener Größe durchgeführt. In der westlichen Ostsee spielen kleine und kleinste Fahrzeuge eine wichtige Rolle. Diese Fischereibetriebe haben erhebliche Bedeutung für die strukturschwachen Gebiete an den Küsten der Anrainerstaaten. An der Fischerei auf diesen Bestand ist auch die Deutsche Flotte maßgeblich beteiligt. Die Fahrzeuge fahren unter EU- oder norwegischer Flagge, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgen daher nach den jeweiligen Regeln. [13] [1455] [1462]

Marktdaten

2022 (vorl.): Verbrauch in Deutschland: 113.325 t (2021: 123.073 t), Marktanteil (Fische, Krebse, Weichtiere): 9,9 % (2021: 11,0 %) [13] [14]

Anlandungen (in 1.000 t)Fänge (in 1.000 t)Laicherbiomasse (in 1.000 t)Laicherbiomasse ZustandFischereiliche SterblichkeitAnmerkungen (insbesondere Managementplan)Gültigkeit
Nordostatlantik, Bottn. Meerbusen (30, 31) 66,8 66,8 539,6 - 09/2024 -
05/2025
Nordostatlantik, Irische See (7.a) 7,9 7,9 25,6 - 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, Isländischer Sommerlaicher (5.a) 94,4 94,4 412,1 - 06/2024 -
06/2025
Nordostatlantik, Keltische See (7.a Süd, 7.g-hj-k) 0,4 0,4 22,1 - 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, Nordsee Herbstlaicher 3.a, 4, 7.d) 419,8 419,8 1.386,2 - 05/2024 -
05/2025
Nordostatlantik, Norw. Frühjahrslaicher (1,2,5,4.a,14.a) 680,6 680,6 3.103,0 Managementplan ab 1999/2018 10/2024 -
10/2025
Nordostatlantik, Rigaer Meerbusen (28.1) 42,8 42,8 131,3 nur Lettische & Estische Fischerei 05/2024 -
05/2025
Nordostatlantik, Westlich Irl. & Schottl. (6.a, 7.bc) 1,3 1,3 - Biomasse nur als Index 06/2023 -
06/2024
Nordostatlantik, westliche Ostsee (20-24) 3,3 3,3 72,1 EU-Mehrjahresplan seit 2016 05/2024 -
05/2025
Nordostatlantik, Zentrale Ostsee (25-29, 32) 98,7 98,7 - EU-Mehrjahresplan seit 2016, für Laicherbiomasse nur rel. Angabe 05/2024 -
05/2025
Nordwestatlantik, Gulf of Maine/Georges Bank (5YZ) (USA) 95,3 - 1.041,5 Anl. & SSB 2014 08/2015 -
08/2018
Nordwestatlantik, Gulf St. Law. Früh. (4T) (Kanada) 1,2 - 9,7 Anl. 2015, SSB 2016 09/2016 -
09/2018
Nordwestatlantik, Gulf St. Law. Herbst (4T) (Kanada) 28,1 - 165,0 Anl. 2015, SSB 2016 09/2016 -
09/2018
Nordwestatlantik, Neufundland W. (4R) (Kanada) 3,1 - - Anl. 2021, Frühjahrs- und Herbstlaicher, bisher keine neuen Daten verfügbar 06/2022 -
06/2024
Nordwestatlantik, Nov Scot/Bay Fundy (4VWX) (Kanada) 56,0 - - Anl. 2015, mehrere Laichkomponenten 07/2016 -
07/2018

Klassifizierung nach dem Ansatz des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY), durch den ICES bis 2020 oder analog zu dessen Einteilung:

SymbolBiomasseBewirtschaftung (fischereiliche Sterblichkeit)
innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertangemessen oder unternutzt
außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertübernutzt
Zustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende DatenZustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende Daten
AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[88]Aneer G1989Herring (Clupea harengus L.) spawning and spawning ground characteristics in the Baltic Sea Fisheries Research 8:169-195
[97]Zydelis R, Bellebaum J, Österblom H, Vetemaa M, Schirmeister B, Stipniece A, Dagys M, van Eerden M, Garthe S2009Bycatch in gillnet fisheries – An overlooked threat to waterbird populations Biological Conservation 142:1269–1281
[208]Bellebaum, J2011Untersuchung und Bewertung des Beifangs von Seevögeln durch die passive Meeresfischerei in der Ostsee. BfN-Skripten 295 Bundesamt für Naturschutz, ISBN 978-3-89624-030-9, www.bfn.de
[750]Europäische Union (EU)2013Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rateseuropa.eu
[977]Europäische Union (EU)2016VERORDNUNG (EU) 2016/1139 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 6. Juli 2016 zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die Bestände von Dorsch, Hering und Sprotte in der Ostsee und für die Fischereien, die diese Bestände befischen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1098/2007 des Rateseuropa.eu
[979]Europäische Union (EU)2015VERORDNUNG (EU) 2015/812 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Mai 2015 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 850/98, (EG) Nr. 2187/2005, (EG) Nr. 1967/2006, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 254/2002, (EG) Nr. 2347/2002 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates und der Verordnungen (EU) Nr. 1379/2013 und (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anlandeverpflichtung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 des Rateseuropa.eu
[982]Kotterba P, Moll D, Hammer C, Peck M, Oesterwind D, Polte P2017Predation on Atlantic herring (Clupea harengus) eggs by the resident predator community in coastal transitional waters. Limnol Oceanogr, DOI: 10.1002/lno.10594
[983]Moll D, Kotterba P, Nordheim L von, Polte P2017Storm-induced Atlantic herring (Clupea harengus) egg mortality in Baltic Sea inshore spawning areas. Estuaries Coasts, DOI: 10.1007/s12237-017-0259-5
[1065]Europäische Union (EU)Northern agreements, Fisheries agreements with the United Kingdom, Norway, Faroe Islands, Iceland and coastal states.europa.eu
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