Bestandsdatenblatt

Nördlicher (europäischer) Seehecht

Gültig 06/2014 - 06/2015

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Nordsee, Keltischer und Biskaya-Schelf
Fanggebiet:westliche Ostsee (22-24), nördliche Biskaya (8.abd), nördliche Gebiete (3.a, 4, 5, 6, 7), ozeanischer Nordostatlantik (10, 12, 14) FAO 27
Art:Merluccius merluccius

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und vier unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Seit 2014 sind beide Referenzpunkte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages definiert (Fmsy, Btrig). Für die Laicherbiomasse sind seitdem auch die Referenzwerte nach Vorsorgeansatz festgelegt (Bpa, Blim). Rückwürfe gehen teilweise in die Berechnung ein, die Daten sind jedoch sehr unvollständig. [760] [761]

Wesentliche Punkte

Die Begutachtungsmethode für diesen Bestand wurde 2014 überarbeitet, dabei wurden u.a. neue Referenzwerte definiert. Der Zustand des Bestandes erscheint nun etwas anders. Die Laicherbiomasse ist niedriger, liegt aber trotzdem komplett im grünen Bereich. Die fischereiliche Sterblichkeit musste nach oben korrigiert werden und liegt nun über dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY). [760] [761]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit
 

  Referenzwerte nicht definiert (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  übernutzt (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse des nördlichen europäischen Seehechts war zu Beginn der Zeitreihe vergleichsweise hoch, nahm dann aber kontinuierlich ab, bis Ende der 1990er Jahre das historische Minimum von 24.000 t erreicht wurde. Gleichzeitig stieg die fischereiliche Sterblichkeit stark an. Seit 1998 erholte sich der Bestand zunächst langsam, seit 2008 schnell, und die Biomasse erreichte 2012 den höchsten Wert der Zeitreihe. Die fischereiliche Sterblichkeit konnte in den letzten Jahren erheblich gesenkt werden, liegt aber noch immer über dem Referenzwert zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (Fmsy). Die Nachwuchsproduktion schwankt ohne klaren Trend. Nach schwachen Jahrgängen 2009 bis 2011 ist der 2012er Jahrgang möglicherweise der größte der gesamten Zeitreihe. [760] [761]

Ausblick

Die fischereiliche Sterblichkeit ist noch zu hoch: Um den Bestand nach MSY zu bewirtschaften, müssen die Fangmengen daher zumindest kurzfristig etwas reduziert werden. Außerdem wachsen demnächst etwas schwächere Jahrgänge in die Fischerei ein, die ggf. auch eine Reduzierung der Fänge erfordern. Langfristig kann aufgrund der derzeit stärkeren Nachwuchsproduktion wieder mit einer Erhöhung der Fangmengen gerechnet werden. [760] [761]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Ökologische Faktoren und Umwelteinflüsse auf diesen Seehechtbestand werden zurzeit weder in der Begutachtung noch für die Bewirtschaftung berücksichtigt. Es wurden jedoch Veränderungen in der erfolgreichen Nachwuchsproduktion von Seehecht zeitgleich mit Veränderungen von verschiedenen globalen, regionalen und lokalen Parametern beobachtet. So profitieren z.B. frühe Lebensstadien wahrscheinlich von etwas wärmeren Temperaturen. [761] [762]

Wer und Wie

Die Bewirtschaftung erfolgt vor allem durch die Europäische Union. Seit 2004 gibt es einen Erholungs- bzw. Managementplan, dessen Zielwerte wegen der inzwischen völlig veränderten Wahrnehmung des Bestandes nicht mehr verwendet werden können. Er wird daher vom ICES nicht mehr als Basis für die Fangempfehlung genutzt. Die Bewirtschaftung erfolgt über gebietsbezogene Höchstfangmengen (TACs) im Rahmen eines Gesamt-TAC für diesen Bestand. Außerdem gibt es Mindestanlandelängen und technische Regularien wie z.B. bestimmte Maschenweiten in unterschiedlichen Gebieten und Fischereien. Fänge aus diesem Bestand in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Norwegens sind über eine Quote für sogenannte „andere Arten“ reguliert. Da die Seehechtfänge in diesem Gebiet stark gestiegen sind, erwägt Norwegen nun ein spezifisches Seehecht-Management in seinen Gewässern. [359] [710] [760] [763]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Vor 2006, insbesondere vor Implementierung des Erholungsplanes, wurden die Höchstfangmengen (TACs) teilweise erheblich höher als die Fangempfehlungen festgesetzt. 2006 bis 2010 hat sich das Management dicht an die wissenschaftliche Empfehlung gehalten, sie 2011 bis 2013 jedoch wieder überschritten. Der 2014er TAC entspricht der wissenschaftlichen Empfehlung. Die Anlandungen liegen seit 2009 deutlich über den TACs. [710] [760]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Seehecht wird im Nordostatlantik als zwei getrennte Bestände (einen nördlichen und einen südlichen) bewirtschaftet. Der hier behandelte nördliche Bestand ist geografisch weit verbreitet (ICES Gebiete IIIa, IV, VI, VII und VIIIabd). Die Bewirtschaftung erfolgt über gebietsbezogene Höchstfangmengen (TACs) im Rahmen eines Gesamt-TAC, der auch die EU-Gewässer von IIa und Vb und internationale Gewässer von Vb, XII und XIV beinhaltet, nicht aber die Gewässer Norwegens und der Färöer-Inseln. [710] [760]

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2013: Anlandungen: 76,8, Rückwürfe 15,8 (nicht vollständig); davon Langleinen 26%, Kiemennetze 23%, Schleppnetze 19%, andere 32%
TACs2008: 54,0 2009: 51,5 2010: 55,1 2011: 55,1 2012: 55,1 2013: 55,1 2014: 81,8 [710] [760]

IUU-Fischerei

In den letzten Jahren können die Höchstfangmengen (TACs) die Fischerei nicht effektiv regulieren. Die Anlandungen lagen auch 2013 wieder erheblich über der erlaubten Fangmenge. Seit 2011 gibt es nicht zugeordnete Anlandungen, die auf den Unterschieden zwischen offiziellen Statistiken und wissenschaftlichen Abschätzungen beruhen. [760] [761]

Struktur und Fangmethode

Seehecht wird in einer gemischten Fischerei mit Seeteufel, Flügelbutt und/oder Kaisergranat gefangen. Zum Einsatz kommen verschiedene Fanggeräte, die in unterschiedlichen Fischerei-Einheiten zusammengefasst sind. Die meisten Anlandungen kommen zurzeit aus ICES-Gebiet VII. Hauptfangnation ist Spanien. [13] [760] [761]

Beifänge und Rückwürfe

In einigen Gebieten und Flotten ist der Rückwurf von jungen Seehechten sehr hoch. Auch der Rückwurf von größeren Tieren ist in den letzten Jahren gestiegen, da in einigen Flotten die Quoten restriktiver wurden. Informationen über die Menge der Rückwürfe sind allerdings nur für einen Teil der Schleppnetzfischerei verfügbar, sie werden wahrscheinlich unterschätzt. Die bekannten Rückwürfe steigen seit 2007 kontinuierlich und machten 2013 21% der Fänge aus. Laicherbiomasse und Ertrag des Bestandes könnten erheblich steigen, wenn der Rückwurf von kleinen Seehechten reduziert würde. [760] [761]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen kann der Meeresboden geschädigt werden. Sie fangen neben den Zielarten auch Arten, die nicht kommerziell genutzt werden und deren Entnahme einen Einfluss auf das Ökosystem haben kann. Artenzusammensetzung, Biomasse und Nahrungsgefüge können sich erheblich verändern. In Kiemennetzen können Seevögel und Meeressäuger beigefangen werden, küstennah z.B. Schweinswale. In der Langleinenfischerei kommt der Beifang von Seevögeln vor. Verlorengegangene Geräte wie Kiemennetze können für eine gewisse Zeit weiterfischen (ghost fishing). Der Einfluss des „ghost fishing“ ist noch nicht quantifiziert worden, ist in flachen Bereichen (kleiner 200 m) aber kein signifikantes Problem. [7] [8] [30] [326]

Biologische Besonder­heiten

Dieser Bestand laicht von Februar bis Juli entlang der Schelfkante von der Biskaya bis südlich und westlich von Irland. Nach einer kurzen Lebensphase im Freiwasser („pelagisch“) gehen die jungen Seehechte vorübergehend zum Bodenleben in über 200 m Tiefe über. Bereits im September wechseln sie erneut den Lebensraum, diesmal in flacheres Wasser mit schlickigem Boden in etwa 75-120 m Tiefe. [760] [761]

Zusätzliche Informationen

Die Trennung der zwei Seehechtbestände im Nordost-Atlantik in einen nördlichen und einen südlichen Bestand basiert nicht auf biologischen Erkenntnissen. Genetische Unterschiede konnten nicht gefunden werden. Die angenommene Trennlinie ist der Cap Breton Canyon etwa an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Der Canyon wird als geographische Schranke betrachtet, weil er möglicherweise den Austausch zwischen den Beständen verringert. Eine Vermischung der „Bestände“ in unbekanntem Umfang ist aber wahrscheinlich. [760] [761]

Zertifizierte Fischereien

Zwei Fischereien auf diesen Seehechtbestand sind nach den Standards des Marine Stewardship Councils (MSC) zertifiziert. Eine weitere befindet sich im Bewertungsverfahren. [4]

Soziale Aspekte

Die Seehecht-Fischerei wird in verschiedenen gemischten Fischereien und daher auch mit verschiedenen Fahrzeugen aller Größen durchgeführt. Die Fahrzeuge fahren unter den Flaggen der jeweiligen Anrainerstaaten, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach deren Regeln. Hauptfangnation ist Spanien. [13]

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[326]ICES2011Report of the Arctic Fisheries Working Group (AFWG), 28 April - 4 May 2011, Hamburg, Germany. ICES CM 2011/ACOM:05. 659 pp. 1 Ecosystem considerationsices.dk
[359]European Comission2004Verordnung (EG) Nr. 811/2004 des Rates vom 21.4.2004 zur Festlegung von Maßnahmen zur Wiederauffüllung des nördlichen Seehechtbestandseuropa.eu
[710]Europäische Union (EU)2014Verordnung (EU) Nr. 43/2014 des Rates vom 20. Januar 2014 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Unionsschiffe in bestimmten Nicht-Unionsgewässern (2014)europa.eu
[760]ICES2014Report of the Advisory Committee, 2014. Book 9. Widely distributed and migratory stocks 9.3.10. Hake in Division IIIa, Subareas IV, VI, and VII, and Divisions VIIIa,b,d (Northern stock)ices.dk
[761]ICES2014Report of the Working Group for the Bay of Biscay and the Iberian waters Ecoregion (WGBIE), 7–13 May 2014, Lisbon, Portugal. ICES CM 2014/ACOM:11. 714 pp.ices.dk
[762]Goikoetxea N, Irigoien X2013Links between the recruitment success of northern European hake (Merluccius merluccius L.) and a regime shift on the NE Atlantic continental shelf Fisheries Oceanography, 22(6):459-476
[763]Anonymus2014Agreed record of fisheries consultations between the European Union and Norway for 2015. Clonakilty, 4 December 2014