Bestandsdatenblatt

Hering zentrale Ostsee (Frühjahrslaicher)

Gültig 05/2014-05/2015

Hering zentrale Ostsee (Frühjahrslaicher)

gültig 05/2014-05/2015

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Hering

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Ostsee
Fanggebiet:zentrale Ostsee (25-29 (ohne 28.1) und 32) FAO 27
Art:Clupea harengus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

 

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung vollständiger Fangdaten und einer unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreise. Alle Referenzwerte für die fischereiliche Sterblichkeit und die Laicherbiomasse sind nach Vorsorgeansatz und nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) definiert. [736] [739]

 

Wesentliche Punkte

2014 Laicherbiomasse und fischereiliche Sterblichkeit liegen nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) unverändert deutlich im grünen Bereich. [736] [739]

 

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

   Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

 nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Die Laicherbiomasse ist von 1974 bis Ende der 1990er Jahre kontinuierlich gesunken. Dies lag ab 1980 überwiegend an der Abnahme des individuellen Gewichts der Heringe - ein Hinweis auf eine schlechte Ernährungssituation. Parallel zur sinkenden Biomasse wurden die Fänge reduziert, trotzdem stieg die fischereiliche Sterblichkeit bis Ende der 1990er Jahre an. Nach 2001 stieg die Laicherbiomasse kontinuierlich an und liegt seit 2006 nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) im grünen Bereich (über Btrigger). Mit weiterer Reduzierung der Fänge sank nach 2000 auch die fischereiliche Sterblichkeit und liegt seit 2003 unter dem MSY-Referenzwert. [736] [739]

 

Ausblick

Der Bestand wird nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet und die Fangmengen könnten mittelfristig sogar steigen. Die weitere Entwicklung hängt von der Stärke der in die Fischerei einwachsenden Jahrgänge, der Entwicklung der Räuber-Beute-Situation zwischen Hering und Dorsch und der Nahrungskonkurrenz mit Sprotte ab. [736] [739]

 

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Seit Ende der 1980er Jahre ist bei diesem Heringsbestand eine starke Reduzierung des Individualgewichtes zu beobachten. Dies führte bei konstanter Anzahl der Tiere zu einer Abnahme der Gesamt-Biomasse. Der geringe Fettgehalt der Tiere hat auch Auswirkungen auf die Vermarktung. Mögliche Ursache ist die Veränderung der Nahrungszusammensetzung, welche wiederum auf den sinkenden Salzgehalt zurückzuführen ist. Eine weitere mögliche Ursache ist die erhöhte Nahrungskonkurrenz durch Sprotten. Der Bestand wird außerdem von Wegfraß durch den Dorsch beeinflusst (Räuber-Beute-Beziehung). [128] [129] [736] [739]

 

Wer und Wie

Der Bestand wird seit 2003 getrennt vom Hering im Rigaer Meerbusen (28.1) und seit 2004 getrennt vom Hering der westlichen Ostsee (22-24) bewirtschaftet. Seit Auflösung der „International Baltic Sea Fishery Commission“ (IBSFC) und Aufgabe des IBSFC-Managementplanes 2006 legen die Europäische Union und Russland autonome Quoten fest. Ein Managementplan für alle pelagischen Bestände der Ostsee ist seit 2008 in Entwicklung, aber bisher nicht eingerichtet worden. Gemischte Fänge von Hering und Sprott dürfen in der EU nur in Häfen angelandet werden, in denen ein Stichprobenkontrollprogramm zur Überwachung der angelandeten Arten durchgeführt wird. Seit 2010 ist auch in der Ostsee das „Highgrading“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) verboten. Weitere Managementinstrumente der EU sind Verordnungen zu Maschenweiten, sowie nationale Regelungen (z.B. Gebietsschließungen). [206] [736] [739]

 

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Seit 2005 lag die Summe der Quoten nur 2009-2011 über der wissenschaftlichen Empfehlung des ICES. Die Anlandungen haben die erlaubten Höchstfangmengen nur 2012 leicht überschritten. Der ICES empfiehlt die Einrichtung eines Managementplanes für alle pelagischen Bestände der Ostsee. Insbesondere sollte der Fischereidruck auf beide pelagische Bestände (Hering und Sprott) regional in einem Teil des Verbreitungsgebietes, den ICES-Gebieten 25-26, reduziert werden, um die Nahrungsgrundlage für den dort vorkommenden Dorschbestand zu sichern. Außerdem sollten Aktivitäten, die einen negativen Einfluss auf die Laichgebiete des Herings haben, nicht zugelassen werden. [733] [739]

 

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Der Bestand ist in der zentralen Ostsee verbreitet. In den Gebieten 28.1, 30 und 31 leben getrennte Bestände. Die Bewirtschaftung erfolgt seit 2007 getrennt durch die EU (für den weitaus größten Teil des Verbreitungsgebietes, rot dargestellt) und Russland (gelb). An den Grenzen des Verbreitungsgebietes kommt es zur Vermischung mit benachbarten Beständen, z.B. mit Hering der westlichen Ostsee in den ICES-Gebieten 24-26. Fänge des Bestandes der zentralen Ostsee in anderen Gebieten (Golf von Riga, ICES Gebiet 28.1) werden in der Begutachtung berücksichtigt. [736] [739]

 

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2013: 101 (davon Russland 10,0); davon 96,9 in der zentralen Ostsee (ohne Golf von Riga), überwiegend pelagische Schleppnetze, geringerer Anteil Ringwaden, Stellnetze und Reusen
TACs (Quote EU/Russland)2007: 133/12,3  2008: 153/12,3  2009: 144/16  2010: 126/13,4  
2011: 107/12,6  2012: 78/14,9  2013: 90,2/11,3  2014: 112,7/14
[733] [739]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge aus diesem Bestand. Durch das gemeinsame Auftreten von Hering und Sprotte in der pelagischen Fischerei kann es zu falschberichteten Fangzusammensetzungen kommen, zumal die Heringsquote meist ausgefischt wurde, die Sprottquote jedoch bis letztes Jahr nicht. Die Anlandung gemischter Hering-Sprott-Fänge ist in der EU seit 2005 verboten, wenn kein System zur Feststellung der Artenzusammensetzung zur Verfügung steht (Stichprobenskontrollprogramm). Die Einführung dieser Maßnahme hat zur Reduzierung der falschberichteten Fänge geführt; die jetzt nicht mehr als Problem in dieser Fischerei angesehen werden. [206] [739]

 

Struktur und Fangmethode

Alle Ostsee-Anrainerstaaten unterhalten gerichtete Fischereien auf den Hering der zentralen Ostsee, vor allem mit pelagischen Schleppnetzen und einem geringerem Anteil Ringwaden, Stellnetzen und Reusen. Die deutsche Fischerei verwendet nur pelagische Schleppnetze und landet nur geringe Mengen aus diesem Bestand an (2013 1.400 t). Die größte Quote hält Schweden, gefolgt von Polen und Finnland. Hering wird sowohl für den menschlichen Verzehr als auch für die Produktion von Fischmehl und –öl verwendet. [733] [736] [739]

 

Beifänge und Rückwürfe

Rückwürfe sind in allen pelagischen Fischereien der Ostsee minimal, die passiven Fangmethoden sowie die Ringwaden-Fischerei sind fast rein. In der Fischerei mit pelagischen Schleppnetzen kommt es hingegen zu gemischten Fängen von Hering und Sprott, diese Anlandungen werden aber nach Arten aufgeteilt. Beifangmengen von jungen Dorschen in der Heringsfischerei sind nicht bekannt. Durch das Verbot des „Highgradings“ (Verwerfen legal anlandbarer Fische, um den Fangertrag zu optimieren) ist für quotierte Arten ohne Mindestanlandelänge (z.B. Hering und Sprotte) der Rückwurf in EU-Gewässern faktisch verboten, sofern das Fahrzeug über Heringsquote verfügt. [206] [736] [739]

 

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Hering ist gemeinsam mit Sprotte eine Hauptnahrungsquelle für Dorsch. Die Heringsfischerei kann daher indirekt den Dorschbestand beeinflussen. Die pelagischen Schleppnetz- und die Stellnetzfischereien beeinflussen den Meeresboden kaum (weil sie ihn in der Regel nicht berühren). Potentiell problematisch können Beifänge von Seevögeln und Meeressäugern in Stellnetzen sein. [30] [97] [208] [736] [739]

 

Biologische Besonder­heiten

Der Bestand setzt sich aus schneller wachsenden (südliche Ostsee) und langsamer wachsenden (nördliche Gebiete) Individuen zusammen. Frühjahrslaicher dominieren im Gebiet, es gibt jedoch auch eine kleine herbstlaichende Population. Das Laichgeschäft der ersteren findet im Frühjahr an der Küste statt, danach wandern die Heringe in die tiefen Becken zum Fressen. [736]

 

Zusätzliche Informationen

Die Reduzierung der altersspezifischen Gewichte von Heringen der zentralen Ostsee und die Wechselwirkung mit dem zweiten großen pelagischen Bestand der zentralen Ostsee, der Sprotte, sind Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen. Sie lieferten Belege für einen „regime shift“, eine grundlegende Änderung der Umweltbedingungen in der zentralen Ostsee in den 1990er Jahren, die unmittelbaren Einfluss auf die Produktivität der Fischbestände hatte. [128] [129] [736]

 

Zertifizierte Fischereien

Bislang ist keine Fischerei auf Hering der zentralen Ostsee nach einem der gängigen Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert.

 

Soziale Aspekte

Die Heringsfischerei in der Ostsee wird mit Fahrzeugen verschiedener Größe durchgeführt. Die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgen nach Landesregeln. Die Fischerei in der zentralen Ostsee macht nur einen kleinen Teil der deutschen Heringsfischerei aus. Deutschland landet den größten Teil, bzw. alle dieser Fänge in auswärtigen Häfen an. [12] [13] [736] [739]

 

AutorJahrTitelQuelle
[12]Europäische Gemeinschaften2009Die Gemeinsame Fischereipolitik. Ein Leitfaden für Benutzerec.europa.eu
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[97]Zydelis R, Bellebaum J, Österblom H, Vetemaa M, Schirmeister B, Stipniece A, Dagys M, van Eerden M, Garthe S2009Bycatch in gillnet fisheries – An overlooked threat to waterbird populations Biological Conservation 142:1269–1281
[128]Cardinale M, Arrhenius F2000Decreasing weight-at-age of Atlantic herring (Clupea harengus) from the Baltic Sea between 1986 and 1996: a statistical analysis. ICES J. Mar. Sci. 57: 882-893
[129]Möllmann C, Kornilovs G, Fetter M, Köster FW, Hinrichsen H-H2003The marine copepod Pseudocalanus elongatus, as a mediator between climate variability and fisheries in the Central B altic Sea. Fish. Oceanogr., 12: 360-368
[206]Europäische Union (EG)2005Verordnung (EG) Nr. 2187/2005 des Rates vom 21. Dezember 2005 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen in der Ostsee, den Belten und dem Öresund, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1434/98 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 88/98europa.eu
[208]Bellebaum, J2011Untersuchung und Bewertung des Beifangs von Seevögeln durch die passive Meeresfischerei in der Ostsee. BfN-Skripten 295 Bundesamt für Naturschutz, ISBN 978-3-89624-030-9, www.bfn.de
[733]Europäische Union (EU)2014Verordnung (EU) Nr. 1180/2013 des Rates vom 19. November 2013 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee für das Jahr 2014europa.eu
[736]ICES2014Report of the Baltic Fisheries Assessment Working Group (WGBFAS), 3-10 April 2014, ICES HQ, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2014/ACOM:10. 834 pp.ices.dk
[739]ICES2014Report of the Advisory Committee, 2014. Book 8. Baltic Sea. 8.3.10. Herring in Subdivisions 25-29 and 32 (excluding Gulf of Riga Herring)ices.dk