Bestandsdatenblatt

Eismeergarnele Nordost-Arktis

Gültig 11/2021 - 11/2022

Eismeergarnele Nordost-Arktis

gültig 11/2021 - 11/2022

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Eismeergarnele

Allgemeine Informationen

Ökoregion:Barentsmeer (Nordost-Arktis), Norwegische See
Fanggebiet:Nordost-Arktis und Norwegische See (1, 2.ab) FAO 27 (Nordostatlantik)
Art:Pandalus borealis

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk und Wissenschaftlicher Rat (Scientific Council) der Northwest Atlantic Fisheries Organization (NAFO), www.nafo.int (Joint NAFO/ICES Pandalus Assessment Working Group)

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung von Fangdaten und drei unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreisen. Es sind Referenzwerte nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages für die Laicherbiomasse (MSY-Btrigger) und die fischereiliche Sterblichkeit (Fmsy) definiert (relative Werte). Außerdem sind die Limitwerte nach dem Vorsorgeansatz festgelegt (Blim, Flim, ebenfalls relativ). Aufgrund fehlender Daten aus Forschungsreisen in der russischen ausschließlichen Wirtschaftszone ist die Bestandsberechnung 2021 unsicherer als in den Vorjahren. [1253] [1332]

Wesentliche Punkte

2021: Biomasse und Fischereidruck liegen nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages weiterhin im grünen Bereich (über MSY-Btrigger und unter Fmsy). Die Begutachtung in 2021 resultierte in einer Korrektur der Biomasse nach unten und des Fischereidruckes nach oben. [1253] [1332]

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

   volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

Fischereiliche Sterblichkeit

  nachhaltig bewirtschaftet (nach Vorsorgeansatz)
 

  Referenzwerte nicht definiert (nach Managementplan)

  angemessen (nach höchstem Dauerertrag)

Bestands­entwicklung

Norwegische Schiffe begannen mit der Fischerei auf Eismeergarnelen in der Nordost-Arktis und der Norwegischen See (ICES-Gebiete 1 & 2.a, b) 1970 (5.508 t). 1978 kam die russische Fischerei hinzu und der Gesamtfang lag bereits bei 38.943 t. Die Fischerei entwickelte sich schnell und immer mehr Nationen nahmen daran teil. Damit stiegen auch die Fänge weiter an. Die bisher höchsten Fänge wurden 1984 mit 128.062 t erreicht.
Die Biomasse stieg in den 1970er Jahren an, mit den hohen Fängen folgte aber Mitte der 1980er Jahre ein starker Biomasse-Abfall. Seit der späten 1980er Jahre bis etwa 2010 schwankte die Biomasse, mit einem leicht ansteigenden Trend und bewegt sich seit dem auf etwas niedrigerem Niveau. Biomasse und Fischereidruck liegen seit Beginn der Fischerei nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages weit im grünen Bereich (über MSY-Btrigger und unter Fmsy). Biomasse und Fischereidruck werden in der Grafik relativ zu den Referenzwerten Bmsy und Fmsy angegeben (B/Bmsy& F/Fmsy). Daten zur Nachwuchsproduktion liegen nicht vor, aus aktuellen Untersuchungen und Beobachterdaten gibt es aber einige Hinweise auf eine gute Nachwuchsproduktion. [1253] [1332]

Ausblick

Der Bestand liegt nach dem Konzept zur Erlangung des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages weit im grünen Bereich. Die nach aktueller Begutachtung möglichen nachhaltigen Fangmengen liegen weit über den historisch jemals getätigten Fängen. [1253] [1332]

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Die höchsten Dichten von Eismeergarnelen werden zwischen 0 und 4°C Wassertemperatur gefunden. Die obere Grenze der bevorzugten Temperatur liegt bei 6-8°C. Die Erwärmung der westlichen Barentssee erklärt die Verschiebung der Verbreitung von Eismeergarnelen nach Osten. Der Bestand wird außerdem durch Fraßdruck von Räubern, insbesondere Kabeljau, beeinflusst. [1253] [1332]

Wer und Wie

Die Fischerei auf Eismeergarnelen in der Nordost-Arktis und der Norwegischen See (ICES-Gebiete 1 & 2.a, b) wird über unterschiedliche Maßnahmen reguliert. Eine gemeinsame Höchstfangmenge (TAC) wird nicht festgelegt. In Norwegen und um Spitzbergen erfolgt eine Regulierung der Fischerei über Aufwandsbeschränkungen, im russischen Gebiet gibt es eine Fangquote. Norwegische und russische Fahrzeuge benötigen eine Lizenz. In Norwegen und um Spitzbergen werden diese lizensierten Schiffe nur über Beifangregularien eingeschränkt. Die Aktivität anderer Flotten um Spitzbergen wird außerdem über die Anzahl der Fangtage und die Anzahl der Schiffe pro Land reguliert. Außerdem werden minimale Maschenöffnungen festgelegt. Zur Verringerung von Beifang ist der Einsatz von Sortiergittern vorgeschrieben (für die Unterzeichner des NEAFC-Abkommens auch in internationalen Gewässern). Es kommt zu temporären Schließungen der Fischerei, wenn ein übermäßiger Beifang von jungem Kabeljau, Schellfisch, schwarzem Heilbutt, Rotbarsch oder Garnelen unter 15mm Carapaxlänge registriert wird. [796] [1253] [1332]

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Es gibt für die Fischerei auf Eismeergarnele in der Nordost-Arktis und der Norwegischen See (ICES-Gebiete 1 & 2.a, b) keine gemeinsame Höchstfangmenge (TAC). Die Fangmengen liegen aber seit 2005 meist erheblich unter den vom ICES empfohlenen Fangmengen. Nur 2019 lagen sie etwas über der Empfehlung. [1253] [1332]

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Dieser Eismeergarnelen-Bestand ist in der Nordost-Arktis und der Norwegischen See (ICES-Gebiete 1 & 2.a, b) verbreitet. Eine gemeinsame Höchstfangmenge (TAC) wird nicht festgelegt. In Norwegen und um Spitzbergen erfolgt eine Regulierung der Fischerei über Aufwandsbeschränkungen, im russischen Gebiet gibt es eine Fangquote. Das sogenannte “Loop Hole” in ICES-Gebiet 1 sind internationale Gewässer. [1253] [1332]

Anlandungen und legale Höchstfangmengen (TACs) (in 1.000 t)

Gesamtfang2020: 61,9; davon 100% Grundschleppnetze
TACnicht festgelegt, die Fischerei ist teilweise über den Aufwand reguliert (Norwegen und Spitzbergen). Im russischen Gebiet wird eine Fangquote festgesetzt. [1253] [1332]

IUU-Fischerei

Es gibt keine Hinweise auf illegale oder unberichtete Fänge. [1253] [1332]

Struktur und Fangmethode

Die Fischerei findet ganzjährig statt, kann aber in einigen Jahren durch die Eisbedeckung saisonal eingeschränkt sein. Regulär nehmen derzeit Norwegen, Russland, Island, Grönland, die Färöer-Inseln und die EU an der Fischerei teil. Eingesetzt werden Grundschleppnetze. [1253] [1332]

Beifänge und Rückwürfe

Der Rückwurf von Eismeergarnelen wird nicht quantitativ erfasst, es wird aber davon ausgegangen, dass er gering ist, auch weil die Fischerei nicht durch Höchstfangmengen reguliert ist. Die Beifangraten für andere Arten werden durch Inspektionen auf See und Forschungsreisen abgeschätzt. Beifang wird über den verpflichtenden Einsatz von Sortiergittern reduziert. Tritt zuviel Beifang von jungem Kabeljau, Schellfisch, schwarzem Heilbutt, Rotbarsch oder kleinen Garnelen (< 15cm Carapaxlänge) auf, werden Gebiete temporär geschlossen. 2017 präsentierte Estland die Ergebnisse einer wissenschaftlichen An-Bord-Untersuchung. Dabei wurden 2,9 % (bezogen aufs Gewicht) Rückwürfe von Fisch und 0,6 % von Eismeergarnelen beobachtet. [1253] [1332]

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Durch den Einsatz von Grundschleppnetzen können Bodenlebensgemeinschaften geschädigt werden. Sie fangen neben den Zielarten auch Arten, die nicht kommerziell genutzt werden und deren Entnahme einen Einfluss auf das Ökosystem haben kann. Auf sandigem Boden hat eine Studie in den USA nur einen geringen Einfluss durch Grundscherbrettnetze feststellen können. So waren zwar die Spuren der Scherbretter lange sichtbar (mindestens ein Jahr), es konnten aber kaum signifikante Unterschiede in der Mikrotopographie der befischten und unbefischten Gebiete nachgewiesen werden. Auch bei strukturformenden und mobilen Wirbellosen zeigten befischte und unbefischte Gebiete keine signifikanten Unterschiede. In der Arktis können Grundschleppnetze vor allem einen negativen Effekt auf empfindliche Bodenlebewesen-Gemeinschaften haben, die auf Hartsubstrat vorkommen. Besonders empfindlich sind Schwämme und Kaltwasser-Korallen. Die Kartierung der Kaltwasser-Riffe schreitet stetig voran, auch Fischer versuchen den Kontakt mit Riffen zu vermeiden, um ihr Gerät zu schonen. In einigen Gebieten ist zum Schutz dieser Riffe der Einsatz von Grundschleppnetzen verboten.
Durch die Erwärmung der Arktis sind vormals unzugängliche Gebiete nun eisfrei und damit erstmals für die Fischerei erreichbar. Die EU und ihre arktischen Partner sind daher übereingekommen, eine unkontrollierte Fischerei auf hoher See in der Arktis zu verhindern. Das Abkommen ist am 25. Juli 2021 in Kraft getreten. [7] [8] [30] [83] [149] [178] [507] [808] [1038] [1282]

Biologische Besonder­heiten

Der Lebenszyklus von Eismeergarnelen zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Sie sind sogenannte protandrische Zwitter. Aus den Larven reifen in den meisten Fällen zunächst Männchen heran, die sich als solche fortpflanzen. Nach einiger Zeit entwickeln sie sich zu Weibchen, die sich ebenfalls fortpflanzen. Das Alter bei der Geschlechtsumwandlung variiert mit dem Breitengrad. Bei nördlicheren Populationen, z.B. in der Barentssee, geschieht dies erst nach 5 Jahren. [37] [591]

Zusätzliche Informationen

Als Handelsnamen sind in Deutschland neben Eismeergarnele die Bezeichnungen Eismeershrimp, Kaltwassergarnele bzw. -shrimp, Grönlandgarnele bzw. shrimp (wenn aus Grönland), sowie die Bezeichnungen Shrimp und Garnele zugelassen. Im Englischen wird die Art als „northern shrimp“ bzw. „nothern prawn“, „cold water prawn”, „deep-sea prawn“ oder „pink shrimp“ bezeichnet. [13] [14]

Soziale Aspekte

Die Fahrzeuge in der Nordost-Arktis und der Norwegischen See fahren unter norwegischer, russischer, färöischer, isländischer oder EU-Flagge, die Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung erfolgt daher nach den (sehr unterschiedlichen) Regeln dieser Staaten. [13] [39] [1253] [1332]

Marktdaten: Alle Garnelenarten und Produktionsmethoden auf dem deutschen Markt zusammengefasst.

2022 (vorl.): Verbrauch in Deutschland: 99.707 t (2021: 97.412), Marktanteil (Fische, Krebse, Weichtiere): 8,7 % (2021: 8,7 %). [13] [14]

Anlandungen (in 1.000 t)Fänge (in 1.000 t)Laicherbiomasse (in 1.000 t)Laicherbiomasse ZustandFischereiliche SterblichkeitAnmerkungen (insbesondere Managementplan)Gültigkeit
Eismeergarnele Nordost-Arktis 56,8 56,8 - Biomasseangabe nur relativ 03/2023 -
12/2023
Eismeergarnele Skagerrak/Kattegat & Norw. Rinne 8,2 8,6 - Biomasseangabe nur relativ, Anl. & Fänge für Kalenderjahr 06/2023 -
06/2024

Klassifizierung nach dem Ansatz des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY), durch den ICES bis 2020 oder analog zu dessen Einteilung:

SymbolBiomasseBewirtschaftung (fischereiliche Sterblichkeit)
innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertangemessen oder unternutzt
außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwertübernutzt
Zustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende DatenZustand unklar, Referenzpunkte nicht definiert und/oder unzureichende Daten
AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[7]Kaiser MJ, Ramsay K, Ramsay K, Richardson CA, Spence FE, Brand AR2000Chronic fishing disturbance has changed shelf sea benthic community structure Journal of Animal Ecology 69:494-503
[8]Hiddink JG, Jennings S, Kaiser MJ, Queirós AM, Duplisea DE, Piet GJ2006Cumulative impacts of seabed trawl disturbance on benthic biomass, production, and species richness in different habitats Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 63:721-736
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[30]Food and Agriculture Organization (FAO)FAO. © 2003-2010. Fisheries Topics: Technology. Fish capture technology. In: FAO Fisheries and Aquaculture Department [online]. Rome. Updated 2006 15 09.[Cited 10 June 2010]fao.org
[37]Havforskningsinstituttet, NorwegenOnline Portal des Havforskningsinstituttet (Institut für Meeresforschung), Norwegenimr.no
[39]Fischereiverwaltung, NorwegenOnline Portal des Fiskeridirektoratet (Fischereiverwaltung), Norwegenfiskeridir.no
[83]Fossa JH, Mortensen PB, Furevik DM2002The deep-water coral Lophelia pertusa in Norwegian waters: distribution and fishery impacts Hydrobiologia 471:1-12
[149]MAREANO: The Sea in Maps and PicturesMareano Homepage: Vulnerable biotope mapsmareano.no
[178]FAO Food and Agriculture Organization2016Abandoned, lost and discarded gillnets and trammel nets, Methods to estimate ghost fishing mortality, and the status of regional monitoring and management FAO Fisheries and Aquaculture Technical Paper 600, FOOD AND AGRICULTURE ORGANIZATION OF THE UNITED NATIONS, Rome, 2016
[507]ICES2008Report of the ICES Advisory Committee, 2008, Book 3 The Barents Sea and the Norwegian Seaices.dk
[591]Palomares MLD, Pauly D, HerausgeberSeaLifeBase. World Wide Web electronic publication. www.sealifebase.org, version (12/2012).sealifebase.org
[796]North East Atlantic Fisheries Commission (NEAFC)North East Atlantic Fisheries Commission (Nordostatlantische Fischereikommission), Managing Fisheries in the North East Atlantic. Current Management Measuresneafc.org
[808]James Lindholm J, Gleason M, Kline D, Clary L, Rienecke S, Cramer A, Los Huertos M2015Ecological effects of bottom trawling on the structural attributes of fish habitat in unconsolidated sediments along the central California outer continental shelf Fishery Bulletin 113:82-96
[1038]Europäische Kommission2017EU and Arctic partners agree to prevent unregulated fishing in high seas, 01/12/2017ec.europa.eu
[1253]NAFO/ICES2020Report of the NAFO/ICES Pandalus Assessment Group Meeting, 26 - 30 October 2020, WebEx. NAFO SCS Doc. 20/21.ices.dk
[1282]Europäische Kommission2021News announcement | 25 June 2021 | Directorate-General for Maritime Affairs and Fisheries Arctic: Agreement to prevent unregulated fishing enters into forceec.europa.eu
[1332]ICES2021Northern shrimp (Pandalus borealis) in subareas 1 and 2 (Northeast Arctic). In Report of the ICES Advisory Committee, 2021. ICES Advice 2021, pra.27.1-2, https://doi.org/10.17895/ices.advice.7833.ices.dk