Bestandsdatenblatt

Nordostatlantische Makrele

Gültig 10/2011 - 10/2012

Nordostatlantische Makrele

gültig 10/2011 - 10/2012

Zum aktuellen Bestandsdatenblatt

Zugehörige Fischart

Makrele

Allgemeine Informationen


Ökoregion:Barentsmeer (Nordost-Arktis), Färöer-Plateau, Iberische Küste, Islandschelf, Keltischer und Biskaya-Schelf, Nordsee, Norwegische See
Fanggebiet:Nordsee (4, 3.a), südliche Gebiete (8, 9.a), westliche Gebiete (2, 5, 6, 7, 14) FAO 27
Art:Scomber scombrus

Wissenschaftliche Begutachtung

Internationaler Rat für Meeresforschung (ICES), Kopenhagen, www.ices.dk

Methode, Frequenz

Jährliche analytische Bestandsberechnung mit Vorhersage unter Verwendung unvollständiger Fangdaten und einer unabhängigen wissenschaftlichen Forschungsreise. Fischereiunabhängige Daten sind nur alle drei Jahre verfügbar. Alle vier Referenzwerte nach dem Vorsorgeansatz sind definiert, sie basieren auf der historischen Entwicklung des Bestandes. Die Referenzwerte nach dem Ansatz des höchsten Dauerertrages (Btrig, Fmsy) basieren auf der Managementstrategie. [302] [303]

 

Wesentliche Punkte

2011: Für 2011 gab es erneut keine Einigung der Fischereinationen über die Höchstfangmenge (TAC). Die verschiedenen Parteien haben autonome Quoten festgelegt, deren Summe weit über den Empfehlungen des ICES liegt. Der Ende 2008 überarbeitete Managementplan wird nicht eingehalten. Die fischereiliche Sterblichkeit ist zu hoch, trotzdem nahm die Laicherbiomasse im letzten Jahr nur um 5% ab, vor allem wegen der derzeit sehr guten Nachwuchsproduktion. [302]

 

Bestands­zustand

Laicherbiomasse (Reproduktionskapazität)

  volle Reproduktionskapazität (nach Vorsorgeansatz)

  über dem Grenzwert (nach Managementplan)

  innerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach höchstem Dauerertrag)

 

Fischereiliche Sterblichkeit

  erhöhtes Risiko (nach Vorsorgeansatz)

  außerhalb der Schwankungsbreite um den Zielwert (nach Managementplan)

  übernutzt (nach höchstem Dauerertrag)

 

Bestands­entwicklung

Der Bestand besteht aus drei Komponenten, die sich in der Vergangenheit unterschiedlich entwickelt haben: der westlichen, südlichen und der Nordseekomponente. Die Nordseekomponente, die zur Hochzeit ca. 3 Mio. t Laicherbiomasse aufwies, brach Anfang der 1970er Jahre durch Überfischung zusammen (maximale Anlandungen von über 1 Mio. t jährlich) und hat sich trotz umfassenden Schutzes bis heute nicht erholt. In der Folge ist die westliche Komponente stark angewachsen, sie wird heute auf den gleichen Fangplätzen in der nördlichen Nordsee gefangen wie früher die Nordseekomponente. Die Zeitreihe für den Gesamtbestand ist kurz, weil vor 1980 keine Informationen über die Nachwuchsproduktion der südlichen Komponente verfügbar waren. In dieser Zeit ist die Biomasse bemerkenswert stabil geblieben, eine Phase schwächeren Nachwuchses führte Anfang der 2000er Jahre zu einer stark steigenden fischereilichen Sterblichkeit und abnehmender Biomasse. Durch Reduzierung der Fänge und bessere Kontrollen der Anlandungen konnte der Bestand schnell wieder aufgebaut werden, nimmt nun aber als Folge einer nicht nachhaltigen Fischerei langsam wieder ab. [302] [303]

 

Ausblick

Dem Managementplan folgend müssten die Fangmengen reduziert werden. Die Summe der Quoten für 2011 überschreitet jedoch erneut alle Empfehlungen und es ist eher unwahrscheinlich, dass sich die Fischereinationen für 2012 auf eine gemeinsame Bewirtschaftung einigen können. Die fischereiliche Sterblichkeit wird ohne gemeinsamen TAC weiter steigen, und die Laicherbiomasse könnte je nach Höhe der Entnahme weiter sinken. Das gros der EU- und norwegischen Fischereien ist MSC-zertifiziert, sie werden dieses Siegel Mitte 2012 verlieren, wenn es bis dahin nicht zu einer Einigung auf ein gemeinsames Management durch alle Fischereien kommt. [302] [315]

 

Umwelt­einflüsse auf den Bestand

Dieser Bestand ist der am weitesten verbreitete kommerziell genutzte Fischbestand in europäischen Gewässern, und schon dadurch sehr variablen Umweltbedingungen ausgesetzt. Die Variabilität der Nachwuchsproduktion hat in den letzten Jahren zugenommen. Das Verbreitungsgebiet der Nordostatlantischen Makrele hat sich in den letzten Jahren deutlich nach Nordwesten verschoben, sie kommt im Sommer nun in isländischen Gewässern vor. Mögliche Ursachen sind wärmere Wassertemperaturen, Veränderungen im Nahrungsangebot und in der Bestandsgröße. [302] [303]

 

Wer und Wie

Der ab 2009 geltende überarbeitete Langzeit-Managementplan (zwischen den Küstenstaaten EU, Färöer und Norwegen) wurde vom ICES als positiv bewertet (in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeansatz), der erneut durchgeführte Transfer von nicht genutzten Quoten ins nächste Jahr wurde dabei aber nicht begutachtet. Die an der Fischerei beteiligten Staaten (Küstenstaaten plus Island und Russland) können sich seither jedoch nicht auf eine gemeinsame Höchstfangmenge (TAC) einigen und legen seit 2009 autonome Quoten fest. Der Managementplan wird dadurch nicht eingehalten und der Bestand nicht mehr nach dem Vorsorgeprinzip bewirtschaftet. Ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und Norwegen für 2011 erlaubt die Makrelen-Fischerei im Rahmen festgelegter Quoten auch in den jeweils anderen Hoheitsgewässern. Trotz stärkerer Kontrollen und früher Schließung der Fischerei hat Spanien seine Quote für 2010 überfischt. Diese Überfischung wird nun als „Rückzahlung“ über fünf Jahre verteilt (um den Fischereisektor des Landes nicht zu gefährden) von der Quote abgezogen. Zur Bewirtschaftung des Bestandes gibt es weitere, zum Teil nationale, Maßnahmen wie Gebietsschließungen und minimale Anlandelängen. Zum Schutz der Nordseekomponente wurden verschiedene Maßnahmen erlassen, unter anderem besonders niedrige Quoten in den Gebieten IIIa und IVbc. [302] [303] [261]

 

Differenz zwischen Wissen­schaft und Management

Die Fangempfehlungen des ICES für 2011 beruhten auf dem Managementplan. Die einzelnen Parteien haben aber erneut keine gemeinsame Einigung über die Höchstfangmenge (TAC) erzielt. Die Summe der stattdessen festgesetzten autonomen Quoten liegt etwa 40% über den Empfehlungen des ICES. In dieser Summe ist auch der Quotentransfer aus dem Vorjahr enthalten. Die Empfehlungen des ICES zum Schutz der Nordseekomponente sind teilweise umgesetzt (saisonale Gebietsschließungen, minimale Anlandelänge von 30cm). In den Jahren 2000-2008 stimmten festgesetzte Höchstfangmenge und wissenschaftliche Empfehlung in der Regel gut überein. Die tatsächlichen Fänge lagen allerdings immer höher. [302] [261] [304] [305] [306] [307]

 

Karten

Verbreitungsgebiet

Managementgebiet

Die Nordostatlantische Makrele wird als weitverbreiteter Bestand definiert. Sie ist in zahlreichen verschiedenen nationalen und internationalen Managementgebieten verbreitet. In der Isländischen AWZ wird erst seit 2009 eine Fangquote festgesetzt, seit ein erheblicher Teil des Bestandes auch dort verbreitet ist. [302] [303]

 

Anlandungen und TACs (in 1.000 t)

Gesamtfang2010: 869,5 (Anlandungen gesamt: 862,5, bekannte Rückwürfe: 7,0); davon überwiegend pelagische Schleppnetze, Ringwaden und Handleinen
TACs 2009: 755 (Summe TACs)  2010: 885 (Summe autonomer Quoten, inkl.
Transfer)  2011: 959 (Summe autonomer Quoten, inkl. Transfer)
[302] [303] [261] [304] [305] [306]

IUU-Fischerei

Es gibt noch immer Hinweise auf beträchtliche nicht gemeldete Anlandungen, genaue Mengen sind aber nicht bekannt. Modellierungen auf Basis verschiedener Daten aus Forschungsreisen, Alterszusammensetzung der Fänge und von Markierungsexperimenten ergeben, dass die tatsächliche Entnahme (Anlandungen und Rückwürfe) im Schnitt zwischen 1,7 und 3,6 mal höher liegen könnten als die gemeldeten Fänge. Es gibt für 2010 wieder einen etwas größeren Teil von nicht zugeordneten Fängen als im Vorjahr. [303] [308]

 

Struktur und Fangmethode

Fast alle Anrainerstaaten unterhalten gerichtete Fischereien auf Makrele. Der weiten geografischen Verbreitung entsprechend kommen Fahrzeuge aller Größen und vielfältige Fangmethoden zum Einsatz, von kleinen offenen Booten für die Handangelei bis zu großen Vollfrost-Fabrikschiffen mit pelagischen Schleppnetzen oder Ringwaden. Gefangen wird fast ausschließlich für die menschliche Ernährung, ein geringerer Teil geht in die Fischmehl-Produktion. Die Makrelenfischerei ist derzeit die wertvollste Fischerei in der EU. [13] [14] [302]

 

Beifänge und Rückwürfe

Daten über Rückwürfe sind unvollständig. Die meisten Fischereien zielen auf große Makrelen für den menschlichen Konsum, es gibt Hinweise auf Rückwürfe von kleinerer, aber marktfähiger Ware (highgrading). Bei gemischten Fängen von Makrele mit Hering, Stöcker oder Eberfisch kann es zum Verwerfen des gesamten Fangs kommen (slipping). Diese Fänge treten nur zu bestimmten Jahreszeiten und in bestimmten Gebieten auf. In norwegischen, isländischen, färöischen und internationalen Gewässern ist der Rückwurf von Makrele nicht erlaubt. Innerhalb der EU ist slipping und highgrading (Rückwurf von marktfähiger Ware, solange die Quote noch nicht ausgeschöpft ist) verboten. Es gibt wenig Beifang von Nichtzielarten. Durch die Verschiebung des Verbreitungsgebietes tritt Makrele vermehrt als Beifang in Gebieten auf, in denen sie früher nicht gefischt wurde. [49] [241] [17] [302] [303] [31]

 

Einflüsse der Fischerei auf die Umwelt

Pelagische Schleppnetzfischerei und Ringwadenfischerei haben in der Regel geringe Beifänge von Nichtzielarten und beeinflussen den Meeresboden nicht (weil sie ihn nicht berühren). Potentiell problematisch können Beifänge von Meeressäugern in Schleppnetzen in den westlichen Gebieten sein. [303]

 

Biologische Besonder­heiten

Dieser Makrelenbestand besteht aus drei Komponenten, die Unterschiede in ihren Laichplätzen und Wanderrouten zeigen. Die Nordseekomponente laicht an der britischen Ostküste, die südliche Komponente über der Schelfkante der Biskaya und der iberischen Halbinsel, und die westliche Komponente über der westbritischen Schelfkante. Von dort aus unternehmen Makrelen ausgedehnte Wanderungen auf die Nahrungsgründe, sie erreichen dabei sogar die Barentssee. Die einzelnen Komponenten mischen sich auf diesen Wanderungen. Trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen hat sich die in den frühen 1970er Jahren zusammengebrochene Nordseekomponente nicht erholt. Es wird diskutiert, dass sich in der Nordsee geborene Fische bei der ersten Wanderung auf die Laichgründe den Mitgliedern der westlichen Komponente anschließen, die in der nördlichen Nordsee viel häufiger sind, und so zur westlichen Komponente rekrutieren (entrainment hypothesis). In diesem Fall wäre eine Erholung der Nordseekomponente unwahrscheinlich. [59] [302] [303]

 

Zusätzliche Informationen

Nur eine einzige fischereiunabhängige Datenserie steht für die Bestandsberechnung zur Verfügung: der wegen des enormen Aufwandes nur alle drei Jahre durchgeführte Makrelen-Eiersurvey. Schiffe von sieben Nationen fangen über ein halbes Jahr von Cadiz bis nördlich Schottlands Makreleneier und schließen von deren Häufigkeit auf die Laicherbiomasse zurück. Makrelen wandern und fressen nahe der Wasseroberfläche, sie lassen sich daher auch aus Flugzeugen detektieren und mit Hilfe von lasergestützten Verfahren (LIDAR) sogar quantifizieren. Wegen der wissenschaftlich erforderlichen Anpassung des verwendeten Berechnungsmodelles kam es 2003 zu einer erheblichen Revision der Einschätzung des Bestandszustandes.
Wesentlicher Hintergrund der Auseinandersetzung der Nutzer über die gemeinsame Höchstfangmenge ist, dass dieser Bestand seit ein paar Jahren auch in isländischen Gewässern verbreitet ist. Island beansprucht daher einen Küstenstaaten-Status und hat die Fänge seiner Flotten von unter 500 t jährlich (bis 2006) auf über 120.000 t erhöht. In der Folge haben auch andere Staaten ihre Quoten erhöht. Eine Einigung erscheint insbesondere unwahrscheinlich, weil sich Island in Beitrittsverhandlungen mit der EU befindet und eine historisch hohe Fangmenge („track record“) Vorteile für die zukünftige Aufteilung der Fangmengen bietet. Nur der derzeit starken Rekrutierung ist es zu verdanken, dass der Bestand bei der derzeit viel zu hohen Entnahme nicht schnell schrumpft. [302] [303]

Soziale Aspekte

Die Fischereien auf Makrele im Nordostatlantik werden mit Fahrzeugen aller Größen durchgeführt, vom offenen Fahrzeug für Handleinenfischerei bis zum über 140 m langen Vollfrost-Trawler. Arbeitsbedingungen an Bord und die Entlohnung sind daher sehr unterschiedlich, richten sich aber nach den Regeln der europäischen Flaggenstaaten. [13]

 

AutorJahrTitelQuelle
[4]Marine Stewardship Council (MSC)Fisch und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischereimsc.org
[13]Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Homepageble.de
[14]Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ)Fisch-Informationszentrum e.V. Homepagefischinfo.de
[17]NEAFC2009North-East Atlantic fisheries commission, 2009, Rec 16: Discards Banneafc.org
[31]Ministry of Food, Agriculture and Fisheries, IslandInformationsseite des isländischen "Ministry of Food, Agriculture and Fisheries"government.is
[49]Europäische Union (EU)2009Verordnung (EG) Nr. 1288/2009 des Rates zur Festlegung technischer Übergangsmaßnahmen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2011europa.eu
[59]ICES2007Report of the Workshop on Testing the Entrainment Hypothesis (WKTEST) ICES CM 2007/LRC:10
[241]Europäische Union (EG)2011Verordnung (EU) Nr. 579/2011 des europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren und der Verordnung (EG) Nr. 1288/2009 des Rates zur Festlegung technischer Übergangsmaßnahmen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2011europa.eu
[261]Europäische Union2011Verordnung (EU) Nr. 683/2011 des Rates vom 17. Juni 2011 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 57/2011 hinsichtlich der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbeständeeuropa.eu
[302]ICES2011Report of the Advisory Committee, 2011. Book 9. Widely Distributed and Migratory Stocks. 9.4.2. Mackerel in the Northeast Atlantic (combined Southern, Western, and North Sea spawning components)ices.dk
[303]ICES2011Report of the Working Group on Widely Distributed Stocks (WGWIDE), 23 - 29 August 2011, ICES Headquarters, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2011/ACOM:15. 624 pp. 2. Northeast Atlantic Mackerelices.dk
[304]NEAFC2011North-East Atlantic fisheries commission, 2011, Rec pv 2011: Postal Vote on Mackerelneafc.org
[305]Ministry of Foreign Affairs, Färöer Inseln2011Pressemitteilung 14.03.2011, Ministry of Foreign Affairs, Färöer Inselnclimate.fo
[306]Ministry of Fisheries and Agriculture, Island2010Pressemitteilung 20.12.2010, Ministry of Fisheries and Agriculture, Islandmin.iceland
[307]Europäische Union2011Verordnung (EU) Nr. 165/2011 der Kommission vom 22. Februar 2011 über Abzüge von bestimmten, Spanien für 2011 und die darauf folgenden Jahre zugeteilten Fangquoten für Makrele wegen Überfischung im Jahr 2010europa.eu
[308]Simmonds EJ, Portilla E, Skagen D, Beare D, Reid DG2010Investigating agreement between different data sources using Bayesian state-space models: an application to estimating NE Atlantic mackerel catch and stock abundance ICES J Mar Sci, 67: 1138-1153
[315]Marine Stewardship Council (MSC)2010Increased mackerel TACs in NE Atlantic and their effect on MSC certified fisheriesmsc.org